Technisches Know-how ist nicht alles: Engagement im Journalismus

Wer sich meinen Beitrag im Datenjournalismus-Blog durchgelesen hat, der weiß, dass ich am vergangenen Donnerstag bei der dem Dortmunder Python-Meetup war. Einfach um mein technisches Know-how zu verbessern. Tatsächlich ist, wie Sie in dem verlinkten Beitrag nachlesen können, das technische Wissen notwendig und auch wichtig. Aber es ist nicht alles.

Engagement ist wichtig

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie besuchen eine Veranstaltung und langweilen sich zu Tode. Aus eigener Erfahrung weiß ich, es gibt nichts schlimmeres als Langeweile. Noch schlimmer als Überforderung ist eine Unterforderung. Schlimmer als ein Thema, das mich nicht interessiert, ist nicht etwa das Thema, in das ich mich nicht einarbeiten kann, sondern jenes, das mich selbst nicht mitnimmt. Wie kann ich erwarten, dass Sie, liebe Leser, sich für etwas interessieren, was mich selbst nicht begeistert oder aufregt und wütend macht?

Was hat das nun mit Engagement zu tun? Man könnte meinen, es ist gänzlich unabhängig davon, aber so ganz trifft das den Kern der Sache nicht. Denn tatsächlich wird in Studien immer wieder belegt, dass man motivierter ist, etwas zu tun, wenn man es in welche Richtung auch immer emotionalisiert. Umso wichtiger ist dieses Emotionalisieren, wenn man jemanden für ein Thema begeistern möchte, das ihn zuvor gar nicht interessierte. Viele sagen, bei bestimmten Interessen, man sei ein „Nerd“, ein Außenseiter und irgendwie speziell.

Ich persönlich würde von diesem „Nerd“-Sein gar nicht als etwas negatives sprechen, denn sie sind engagiert, interessiert und begeistert und können bei einem Thema, das ihrem Steckenpferd entspricht, andere anstecken und mitreißen. Genau solche Menschen könnte auch der Journalismus dringend gebrauchen, denn der Journalismus erlebt momentan einen Wandel, der sich von den traditionellen Medien abwendet hin zur Digitalisierung und zum Arrangement, das immer mehr Analoges verschwinden lässt.

Ein analoger Nerd?

Ich persönlich bin ein Freund des Digitalen, kehre aber der digitalen Welt auch immer mal wieder den Rücken zu, um in einem guten Buch oder einer guten Zeitung zu verschwinden. Diese muss ich nicht unbedingt auf einem E-Reader lesen, hier ginge mir ja völlig die Haptik verloren, das Gefühl von Seiten zwischen den Fingern und der Geruch von Papier in der Nase, das Geräusch von knisternden Seiten. All das kann mir kein E-Reader bieten. Dennoch nutze ich auch ihn sehr gerne und immer mal wieder, hierbei geht es mir aber nicht um haptische Elemente, sondern um Praxis im Alltag. Die Anwendbarkeit dieser Geräte bietet gerade für Zugfahrten oder längere Reisen viele Vorteile. Dennoch würde ich sagen, gewinnt im Alltag oft genug das Analoge, das Buch oder die Zeitung.

Doktor Google weiß alles?

Wenn man sich heute anschaut, wie inflationär Menschen Google nutzen und das nicht nur als Suchmaschine, sondern auch als Betriebssystem (Android), Lebenscoach („Okay, Google, brauche ich einen Regenschirm?“), Erinnerungsmodul („Wann haben noch gleich meine Kinder Geburtstag?“) und vieles Weitere, dann fragt man sich, was wir eigentlich früher ohne Google waren.

Mediale Abhängigkeiten heutzutage scheinen zu unserem persönlichen Alltag dazu zugehören. Dennoch rate ich immer wieder, zu überprüfen, inwieweit man sich von Google oder anderen Services abhängig macht. Natürlich, auch dieses Blog ist ein Teil des Google-Netzwerks und vielleicht begebe auch ich mich an dieser Stelle in eine spezielle Abhängigkeit, die vermeidbar wäre. Dies sollte man für sich selbst immer wieder prüfen und insbesondere als Journalist hinterfragen, ob ich im persönlichen Gespräch nicht manchmal mehr erfahren würde, als von Doktor Google.

Natürlich kann ich Google fragen, wie das Wetter wird, ich könnte aber auch genauso gut aus dem Fenster schauen, die Nachrichten gucken et cetera.

Journalistisches Engagement sollte meiner Meinung nach nicht bei Google enden, denn Google kann lediglich einen groben Überblick verschaffen, wird Sie vielleicht bei Ihrer Arbeit unterstützen, jedoch nie die gesamte Arbeit für Sie übernehmen können. Und damit meine ich nicht das Schreiben des Artikels, sondern auch schon einen Großteil der Recherche.

Schönen Dank, Google, ab hier kann ich alleine gehen

Möglicherweise ist es gut, dass Google einem die Recherche erleichtert. Aber eine Sache ist definitiv noch immer menschlicher als technisch: Der Abwägeprozess, die eigene Meinung, wie man sie heute in einem Leitartikel findet, die Emotionen, die bei einem Interview deutlich werden, die jedoch auch vom Abwägeprozess abhängig sind. Haben Sie Google schon einmal abwägen sehen? Ich nicht, doch damit ich selbst abwägen kann, muss ich das Thema, an dem ich arbeite, kennen. Ich muss selbst eine Meinung postulieren, die auf sicheren Füßen nicht von weiteren Meinungen, sondern von festen Argumenten, getragen wird. Argumenten, die im Abwägeprozess einen hohen Stellenwert haben. Nein, ich erwarte nicht, dass ein jeder Artikel wie ein Leitartikel aufgebaut ist, ja den Erwartungen eines Essays entspricht, sondern dass ein jeder Artikel durchdacht ist und dem Leser selbst die Gelegenheit gibt, sich ein Urteil zu bilden, ohne vorzuverurteilen. Das sollte dem heutigen Journalismus entsprechen, denn Informationen bekommt jeder einzelne von uns im Internet zu Genüge. Liebe Journalisten, wir sollten unseren Job machen, bevor es jemand anderes tut!

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